Die Arbeiten von Eva Rusch zeigen parallel verschiedene Orte im Mülheimer Süden. Historische Industrieareale und Baulücken wechseln sich an der Deutz-Mülheimer Straße ab. Fotografien werden auf dem iPad übermalt, wodurch Clips und skalierbare digitale Zeichnungen entstehen.
Mülheimia hatte bereits in der Vergangenheit die bauliche Entwicklung rund um den Mülheimer Süden verfolgt und dokumentiert. (MQu 2018,2019). Zehn Jahre nach dem städtischen Werkstattverfahren »Mülheimer Süden inklusive Hafen« im Jahr 2014 muss man fragen, was aus den großartigen Plänen geworden ist. Woran hängt es denn, dass seit dieser Zeit so wenig von den städtebaulichen Ankündigungen der Akteure in die Tat umgesetzt wurden?
Auf dem Gelände von Cologneo 1 (s. Karte auf Seite 6) eingangs der Deutz-Mülheimer Straße ist rund um den Club »Gebäude 9« eine sanierte Blockinnenbebauung entstanden, doch das neu errichtete Bürogebäude mit seiner tristen, schwarzen Fassade hinterlässt wenig Begeisterung.
Auf dem Lindgens Areal sind Renovierungen vorgenommen und einige Lücken bebaut worden. Besonders auffällig ist der Abriss auf dem nördlichen Areal eingangs der Danzierstraße aus dem vergangenen Jahr.
Einerseits sind öffentlich vorgetragene Interessen kultureller Gruppen im Otto-Langen-Quartier in der Diskussion. Die Stadt Köln hatte zwar mit Ausübung ihres Vorverkaufsrechtes die Übertragung des ehemalig als »raum 13« bekannten Areals vom Eigentümer Eggerbauer an das Unternehmen Jamestown zu ihren Gunsten entschieden. Doch formale Hürden oder auch einfach ein Mangel an Entschlossenheit verhindern bislang die Zusammenführung mit den benachbarten Gebäudeteilen der Landestochter nrw.urban. Was jetzt folgt, ist ein zweijähriges Bewerbungsverfahren für Investoren aus der Privatwirtschaft mit einem anschließenden langwierigen Bebauungsplanprozess,– ein realistischer Baustart ist in dieser Dekade nicht mehr zu erwarten.
Andererseits haben sich auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verändert. Der Inhaber der CG-Gruppe, Christoph Gröner, kann der Swiss Life die vertraglich zugesagten Wohnungen auf dem Gelände Cologneo nicht mehr liefern. Daraufhin hat das Management der Schweizer Unternehmensgruppe selbst die Initiative ergriffen und übernimmt die Verantwortung für die Realisierung der Wohnungen. Doch das ungleiche Dreieck aus gestiegenen Bau- und Zinskosten sowie gesunkenen Verkaufserlösen spricht gegen einen baldigen Baubeginn.
Und wann es bei den Deutz Quartieren mit der Verlängerung des Auenweges weitergeht, steht in den Sternen. Der erste Grundstücksankäufer Gerch Group ist mittlerweile pleite. Erste Weiterverkäufe scheinen rückabgewickelt worden zu sein. Der gegenwärtige Grundstückseigentümer, das Unternehmen Gateway, das einst Anteile an der Gerch Group hielt, bleibt hinsichtlich weiterer Ankündigungen inaktiv.
Die aktuelle Situation präsentiert sich also wenig optimistisch für die Entwicklung des Mülheimer Südens. Diese Situation spiegelt jedoch die Realität des Immobilienmarktes wider, in dem viele Wunschträume geplatzt sind und neue Initiativen nur auf der Grundlage solider wirtschaftlicher Bedingungen erfolgreich sein können.
Ein Lichtblick könnte die Erkenntnis sein, dass künftige Chancen noch nicht vergeben sind. Schließlich berücksichtigen die bisherigen Planungen den Klimawandel nicht ausreichend, was nun nachgeholt werden kann. Heute gibt es zahlreiche neue Ansätze, die nachhaltige Baustoffe wie Holz oder CO2-reduzierten Beton nutzen und eine verbesserte Wärmedämmung in Verbindung mit Geothermie aus dem Grundwasser fördern. Hierfür gibt es viele neue Ansätze, angefangen bei der Verwendung nachhaltiger Baustoffe, wie Holz oder CO2-reduziertem Beton. Und eine gesteigerte Wärmedämmung könnte in Verbindung mit Geothermie aus dem Grundwasser vorbildhaft sein. Vielleicht sollte auch kleiner gedacht werden, damit nicht ein Investor mehrere hundert Wohneinheiten plant, sondern stattdessen mehrere kleinere Entwickler mit Losgrößen von einigen Dutzend zum Zuge kämen. Außerdem wird heute sehr oft der Erhalt von Bausubstanz favorisiert, da deren Weiterverwendung kein neues CO2 wie beim Neubau entstehen lässt. Wenn auch nicht mehr viel von der alten Bausubstanz vorhanden ist, sollte das wenige als Beleg für die ursprüngliche industrielle Prägung des Mülheimer Südens erhalten bleiben. Das wäre auch städtebaulich äußerst reizvoll. So bietet der gegenwärtige Stillstand vielleicht doch noch eine Chance, die Weichen für eine nachhaltige und zukunftsorientierte Entwicklung zu stellen.
Die Autorin entfaltet auf ihrem iPad eine zukunftsweisende Vision für den Mülheimer Süden. Ihre Entwürfe zeigen eine harmonische Symbiose aus kleinteiligen Bauten, die geschickt den Bestand integrieren. Mit einem Fokus auf Nachhaltigkeit setzt sie auf Holz und recycelten Stahl, um eine umweltfreundliche Architektur zu schaffen. Wasserflächen und üppiges Grün durchziehen das Konzept und verleihen ihm eine lebendige Leichtigkeit. Diese digitale Kunstwerkstatt bietet einen inspirierenden Blick auf die Möglichkeiten moderner Stadtgestaltung, die sowohl ökologisch als auch ästhetisch überzeugen.
Die Deutz-Mülheimer Straße, die sich zwischen den Kölner Stadtteilen Deutz und Mülheim erstreckt, ist mehr als nur eine Verkehrsader. Sie ist ein lebendiges Zeugnis der industriellen Blütezeit und ein Symbol für den wirtschaftlichen Wandel, den die Region durchlebt hat.
Bereits der im letzten Jahr verstorbene Denkmalpfleger Dr. Walter Buschmann hat auf die historische Bedeutung der Industrie in der Gründerzeit hingewiesen und einigen Bauten das Label »Industriedenkmal« verleihen können. Den Verfall und die zögerliche Revitalisierung der Industriebrachen sah er voraus, als er 2013 im Mülheimer Harbour-Club mit Unterstützung der Autorin dieses Textes ausstellte. Titel der Ausstellung: »Die unbequemen Denkmale entlang der Deutz-Mülheimer Straße«.
Historische Bedeutung der Gründerzeit-Industrie
Hier nochmal in Kürze: Die Deutz-Mülheimer Straße war einst das industrielle Herzstück Kölns. Während der Gründerzeit, die sich auf die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts erstreckt, erlebte die Region einen enormen wirtschaftlichen Aufschwung. Dies war die Ära, in der zahlreiche Fabriken und Industriebauten entstanden, die maßgeblich zur wirtschaftlichen Blüte beitrugen.
Einige der bedeutendsten Industriedenkmale entlang der Deutz-Mülheimer Straße beherbergten u.a. bedeutendsten Firmen der Mobilität:
1. Köln-Deutz AG: Die Deutz AG, gegründet 1864, war einer der weltweit führenden Hersteller von Motoren. Bekannt für die Herstellung von Verbrennungsmotoren, spielte die Deutz AG eine zentrale Rolle in der industriellen Entwicklung Kölns. Ihre Fabrikhallen und Verwaltungsgebäude zeugen von der einstigen Bedeutung des Unternehmens.
2. Van der Zypen & Charlier: Diese Firma war ein bedeutender Hersteller von Schienenfahrzeugen und Straßenbahnen. Ein Pionier in der Herstellung von Schienenfahrzeugen, der maßgeblich zur Entwicklung des weltweiten Schienen-verkehrs aber auch des städtischen Nahverkehrs beitrug. Werkshallen und Produktionsstätten sind historische Zeugnisse der industriellen Blütezeit. So wurde hier die Schwebebahn für Wuppertal in der sogenannte Schwebebahnhalle entwickelt. Das Werksgelände diente als Teststrecke.
3. Lindgens & Söhne: Gegründet 1851 als erste europäische Bleiweißfabrik, entwickelte und produzierte u.a. Rostschutzfarben, Bleifarben und Druckfarben. Das Werksgelände erstreckte sich zwischen Mülheimer Hafen, Auenweg, Hafenstraße und Deutz-Mülheimer Straße. Einges wurde denkmalgerecht umgenutzt anderes verfällt dramatisch oder ist bereits abgerissen.
Der Verfall
Mit dem Niedergang der traditionellen Industrie begann auch der Verfall der einst stolzen Industrielandschaft entlang der Deutz-Mülheimer Straße. Viele der alten Fabrikgebäude standen leer, verfielen und wurden zu stummen Zeugen einer vergangenen Ära. Rostige Stahlkonstruktionen, zerbrochene Fensterscheiben und überwucherte Gelände prägten jahrzehntelang das Bild der Straße.
Zögerliche Revitalisierung der Industriebrachen
Ein von der Stadt Köln initiertes Werkstattverfahren in den Jahren 2014 bis 2016 wollte den Großraum zwischen Deutz und Mülheim ganzheitlich unter die Lupe nehmen und mit Experten und Anwohnerinnen planen. Die Immobilienwirtschaft reagierte nur zögerlich auf die Herausforderung, die Industriebrachen entlang der Deutz-Mülheimer Straße zu revitalisieren.
Raum für Innovation: Chancen der Neunutzung für die Stadtentwicklung und die lokale Wirtschaft
Trotz der Herausforderungen bietet die Neunutzung der Industriebrachen entlang der Deutz-Mülheimer Straße immense Chancen für die Stadtentwicklung und die lokale Wirtschaft. Innovation braucht Raum. Die alten Industriebauten und ungenutzten Flächen bieten das Potenzial, kreative und innovative Projekte zu beherbergen. Start-ups, Co-Working Spaces und kreative Hubs könnten hier entstehen und zur wirtschaftlichen Dynamik der Region beitragen.
Die Lage zwischen Deutz und Mülheim bietet ideale Voraussetzungen für die Ansiedlung neuer Unternehmen und Projekte. Die Nähe zur Kölnmesse und zur MesseCity in Deutz sowie zur Digital- und Kreativwirtschaft in Mülheim schafft Synergien und fördert die Zusammenarbeit.
Bedeutung des Zusammenwachsens der Stadtteile Deutz und Mülheim
Das Zusammenwachsen der Stadtteile Deutz und Mülheim ist von entscheidender Bedeutung für die nachhaltige Stadtentwicklung des Rechtsrheinischen Kölns. Die Kölnmesse in Deutz, die MesseCity und das Schanzenviertel in Mülheim brauchen neue Impulse, um ihr volles Potenzial entfalten zu können. Zugleich bieten die Flächen Raum für Wohnen und Arbeiten. Eine Stadt der kurzen Wege ist das Ideal zeitgemäßer Stadtentwicklung.
Nachhaltige Stadtentwicklung
Eine nachhaltige Stadtentwicklung muss ökologische, ökonomische und soziale Aspekte gleichermaßen berücksichtigen. Klimafolgenanpassung und neue Mobilitätskonzepte sind wichtige Stichworte. Die Neunutzung der Industriebrachen könnte dazu beitragen, umweltfreundliche und nachhaltige Projekte zu fördern. Klimaschutz und neue Mobilität sind zentrale Herausforderungen der modernen Stadtentwicklung.Innovative Mobilitätskonzepte wie Radfahrschnellwege, Carsharing, Elektromobilität und der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs könnten entlang der Deutz-Mülheimer Straße umgesetzt werden. Dies würde nicht nur den Verkehr entlasten, sondern auch einen wichtigen Beitrag zur Reduzierung der CO2-Emissionen leisten. Platz für eine blau-grüne Infrastruktur ist gegeben.
Zunächst erscheint es so, dass die Stadt Köln mit der Entwicklung des Deutzer Hafens, der Hallen Kalk oder der Parkstadt Süd ausgelastet sei. Dennoch, so hat es auch Stadtplanungsamtsleitern Eva Herr in einer Infoveranstaltung zum Mülheimer Süden 2022 formuliert, lohne es sich auch aus Sicht der Stadtverwaltung für diese Entwicklungsgebiet zu kämpfen.
Was bräuchte es?
Die Deutz-Mülheimer Straße steht exemplarisch für den Wandel, den viele innerstädtische Industriestandorte durchlaufen. Von der wirtschaftlichen Blütezeit der Gründerzeit über den Verfall und die zögerliche Revitalisierung bis hin zu den Chancen der Neunutzung bietet diese Straße ein spannendes und vielschichtiges Bild der städtischen Entwicklung. Was bräuchte es nun aus meiner Sicht, dass der Mülheimer Süden inklusive Deutz-Mülheimer in Mülheim zu einem guten Ende kommt:
Abkehr von der Erwartungshaltung, dass die Privatwirtschaft großflächige Quartiere zeitnah realiseren werden.
Demokratische und kleinteilige Stadtentwicklung »Schritt für Schritt« – statt Trabantenstadt
»Kleinere« Investoren sollten (im Rahmen einer kreativen Gestaltungssatzung) eine Chance bekommen
Klimaschutz first! Weniger dichte Bebauung als bislang geplant.
Mehr Bauen mit dem Bestand: Darin, darüber, daneben.
Mehr Holzbauten
Infrastuktur für Tiny Houses, auch zur temporären Nutzung
Eine Sanierungssatzung für das gesamte Gebiet an der Deutz-Mülheimer?